Die Ausbreitung des Corona-Virus stellt uns alle vor große Herausforderungen. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurde das öffentliche Leben vergleichbar „heruntergefahren“, auch wenn es uns zum Glück auf Grund einer frühzeitigen Reaktion gelungen ist, in Deutschland noch drastischere Einschränkungen zu verhindern, wie wir sie zum Beispiel in Frankreich, Italien und Spanien gesehen haben. Die durch die Politik ergriffenen Maßnahmen sind notwendig gewesen, und sie sind es auch jetzt noch, weil es immer noch darum geht, die Gesundheit und das Leben der Menschen in unserem Land zu schützen und dafür die Verbreitung des Virus bestmöglich einzudämmen und zu verlangsamen. Die konsequente Eindämmung von SARS-CoV-2 ist aus unserer und auch aus epidemiologischer Sicht derzeit die einzig sinnvolle Strategie, mit der Pandemie umzugehen.

Mit einem Vergleich zur Grippe wird das hin und wieder in Frage gestellt. Doch der Vergleich trägt nicht. Auf den ersten Blick erscheinen die wesentlichen Symptome einer Grippe durch Influenzaviren und Covid-19 zwar ähnlich. Aber die Krankheiten sind nicht vergleichbar – Covid-19 ist deutlich gefährlicher für die Gesundheit der Gesellschaft. Da aufgrund der Neuartigkeit des Virus in der (Welt-)Bevölkerung nahezu keine natürliche Immunität vorhanden ist, kann sich Covid-19 anders als „die Grippe“, bei der durch natürliche Immunabwehr ein signifikanter Teil der Bevölkerung nicht befallen wird, nahezu ungehindert ausbreiten. Doch was den Virus tatschlich so gefährlich macht, ist die Tatsache, dass im Gegensatz zur Grippe, aufgrund der langen Inkubationszeit des Covid-19 Virus Menschen die noch keine Symptome zeigen, bereits den Erreger per Tröpfcheninfektion übertragen. Von dem Infektionsverlauf ganz abgesehen, gibt es aktuell nur wenige Erkenntnisse über Langzeitfolgen und Auswirkungen der Krankheit auf Lunge und andere Organe, weshalb wir bei einem Vergleich sehr vorsichtig sein sollten.

Aus diesen Gründen muss es unser Ziel sein, die Reproduktionszahl des Virus und die Zahl der Neuerkrankungen möglichst niedrig zu halten, damit wir auch in Zukunft gewährleisten können, dass jeder Erkrankte eine für ihn geeignete medizinische Behandlung erhalten kann. Zudem muss gewährleistet sein, dass eine individuelle Verfolgbarkeit der Infektionsketten möglich ist, um diese zu unterbrechen. An diesen Maximen orientieren sich unsere Handlungen und dementsprechend auch unsere Entscheidungen, welche Lockerungen der Kontakteinschränkungen verantwortbar sind.

Durch die harten Einschränkungen und dank der Disziplin der Bevölkerung konnten die Ansteckungsrate und die Zahl der Neuinfektionen im Vergleich zu Februar/März deutlich gesenkt werden. Die Reproduktionsrate wurde in den letzten Tagen sogar konstant unter 1 gehalten – ab diesem Wert reduziert sich die Zahl der Neuinfektionen, die mittlerweile unter 1000 pro Tag liegt. Das ist eine sehr gute Nachricht, die wir uns alle hart erkämpf haben. Diesen Erfolg wollen wir nicht leichtsinnig verspielen, weshalb wir an unserem vorsichtigen Vorgehen festhalten wollen.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle ein kleines Rechenmodell: Schon bei einem Wert von R=1,2, wenn also jeder Erkrankte im Schnitt nur 1,2 Menschen ansteckt, wäre die Kapazität des Gesundheitssystems in rund zwei Monaten überschritten. Anfang September hätten wir für rund 35.000 Patienten keine geeigneten Behandlungsmöglichkeiten und einen dramatischen Anstieg der Todeszahlen zu erwarten. Zum Vergleich eine Rechnung, die einen Wert von R=3 (Verbreitung ohne einschränkende Maßnahmen) zu Grunde legt, um Ihnen die Folgen der Option „völlige Öffnung“ zu verdeutlichen: Modellrechnungen mit dieser Reproduktionszahl zeigen, dass sich innerhalb von 3 Monaten rund 70% der Bevölkerung (rund 50 Millionen Menschen) infizieren würden. In der Spitze hätten wir in etwa Anfang August rund 38 Millionen Infizierte gleichzeitig, für die rund 400.000 Intensivbetten benötigt würden (verfügbar sind aktuell in Deutschland gut 31.000 Intensivbetten). Selbst bei sehr konservativ geschätzten Letalitätsraten würden sicher mehrere hunderttausend Bürger versterben.

Damit würden wir Zustände in Deutschland erreichen, die die Bilder aus Italien, Spanien oder den USA bei weitem übertreffen. Dies können und wollen wir als CDU nicht verantworten. Für uns mit dem Wertefundament des christlichen Menschenbildes steht gerade in einer pandemischen Krisensituation der Schutz von Menschenleben im Mittelpunkt unserer Bemühungen. Jeder Mensch hat ein Recht auf den Schutz seines Lebens und seiner Gesundheit. Dazu gehört auch, jedem Menschen die bestmögliche medizinische Behandlung zukommen zu lassen.

Häufig wird der Aufbau einer sog. „Herdenimmuniät“ als alternative Handlungsoption befürwortet. Wir halten die Erreichung einer solchen allerdings weder durch unkontrollierte, noch durch gezielte „Durchseuchung“ der Bevölkerung für eine umsetzbare Alternative zur Eindämmung der Pandemie. Wenn wir diesen Weg in voller Konsequenz, also ohne eindämmende Maßnahmen, verfolgt hätten, wären wir bei einer Situation, die das zuvor dargelegte Rechenbeispiel mit R=3 aufzeigt. Eine schnelle Infektion der Gesamtbevölkerung zum „Preis“ von Millionen Infizierten und hunderttausenden Toten kann niemand verantworten, weshalb dieses Modell nach anfänglichen Überlegungen auch in keinem Land der Welt zur Umsetzung kommt.

Für eine gesteuerte Erreichung der „Herdenimmunität“, die nicht das Gesundheitssystem überfordert, wäre rein rechnerisch selbst bei perfekter Steuerung der Ansteckungszahlen (was faktisch nicht möglich ist) ein Zeitraum von mindestens sechs Jahren erforderlich. Weitgehende, einschränkende Maßnahmen müssten bei einer solchen Strategie über den gesamten Zeitraum aufrechterhalten werden. Wir alle hoffen und glauben, dass es uns deutlich schneller gelingen wird, einen wirksamen Impfstoff allgemein verfügbar zu machen, weshalb bis zu diesem Zeitpunkt eine Eindämmung der Krankheit einer kontrollierten Ausbreitung deutlich vorzugswürdig ist.

Auch vernehmen wir immer öfter die Aufforderung unsere Vorsichtsmaßnahmen für Kinder, Jugendliche und jüngere Erwachsene weitestgehend aufzuheben, da diese von Covid-19 kaum betroffen seien. Hier sei angeführt, dass die jüngere Generation glücklicherweise zwar meist von schweren Verläufen der Krankheit ausgenommen ist und wenn überhaupt nur leichte Symptome zeigt, doch auch Kinder können Infektionsträger sein und sind damit ansteckend. Hinzu kommt, dass unsere Kleinsten nur sehr bedingt die Regeln der sozialen Distanz einhalten können, wodurch die Weitergabe des Erregers und die Übertragung auf Erwachsene kaum einzudämmen ist.

Aus diesen und weiteren Gründen ist es daher nur vernünftig die weitgehende Eindämmung des Virus im Blick zu behalten, bis es eine Behandlung oder einen Impfstoff gegen Covid-19 gibt. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende dafür tun, dass unsere medizinische Infrastruktur nicht überfordert wird. Die Zahl der Infizierten und daraus unmittelbar abgeleitet die Zahl der schweren Fälle, die eine Versorgung im Krankenhaus und in der Intensivmedizin bedürfen, muss kleiner sein als die Kapazität des Gesundheitssystems. Wir wollen in keine Situation kommen, in der wir zu der „Triage“-Praxis übergehen müssen, in der schwerkranke Menschen nicht mehr behandelt, sondern dem Tod überlassen werden. Daher braucht es auch weiterhin den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land, damit wir diese schwierigen und herausfordernden Zeiten meistern können.

Es ist uns dabei bewusst, dass wir dem Einzelnen, aber auch der Wirtschaft sowie privaten Vereinen und Initiativen in verschiedener Intensität eine Menge zumuten. Das bedauern wir, sehen aber vor dem geschilderten Hintergrund unsere bisherigen Schritte und Maßnahmen als den richtigen Weg an. Dies gilt umso mehr, als dass diese begleitet werden von einer ganzen Reihe an Hilfsmaßnahmen, die Bund und Länder auf den Weg gebracht haben. Aus den milliardenscheren Unterstützungsprogrammen seien beispielhaft die Corona-Soforthilfen genannt, das hessische Programm zur Unterstützung von Vereinen oder die Maßnahmen für die Krankenhäuser. Einen Überblick hierzu finden Sie auf den Seiten der Landesregierung unter www.corona.hessen.de. Konkrete Fragen beantwortet die Hotline unter 0800 555 4666.

Mit diesen Maßnahmen und dem beständigen Willen, die Regelungen zu überprüfen und wo möglich zu lockern, sind wir überzeugt davon, mit einem verantwortungsvollen wie angemessenen Vorgehen auf die Herausforderungen des COVID-19 Virus zu antworten.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre

Sandra Funken, MdL

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